Was ist eine Achillessehnen-Tendinopathie und wer ist betroffen?
Chronische Beschwerden an der Achillessehne, welche ohne Unfallhergang entstehen, sind etwas sehr Häufiges und in den meisten Fällen steckt eine degenerative Sehnenproblematik, eine sogenannte Tendinopathie dahinter.
Betroffen sind vor allem sportliche Personen, welche viel Laufen und Springen, aber teilweise auch Personen, welche viel Gehen und Stehen, ältere Menschen und Übergewichtige.
Welche Symptome sind bei einer Achillessehnen-Tendinopathie vorhanden?
Eine Tendinopathie der Achillessehne beschreibt eine lokale Schmerzproblematik, welche mit oder ohne Schwellung auftreten kann. Oft wird zu Beginn vor allem ein Gefühl von Steifigkeit in der Sehne empfunden, insbesondere morgens bei den ersten Schritten und nach längeren Ruhephasen. Es werden vor allem zwei häufige Schmerzstellen unterschieden: Schmerzen im Mittelteil der Sehne (engl. «Mid-portion») oder im Ansatzbereich der Ferse (engl. «Insertional»).
Die Schmerzen treten bei milden Fällen nur bei mechanischer Belastung der Sehne auf, also z.B. beim Laufen oder Springen. Häufig findet dabei ein Aufwärm-Effekt statt, also dass die Schmerzen zu Beginn einer Belastung stark spürbar sind, nach ein paar Minuten dann aber weniger werden oder ganz verschwinden. Je nach Stadium der Problematik können die Schmerzen nach einer gewissen Belastungsdauer, mehrere Stunden nach der Belastung oder sogar erst 1-2 Tage später wieder vermehrt auftreten. Oft entwickeln sich diese Beschwerden über einen längeren Zeitraum schleichend und da die Schmerzen anfänglich oft nicht sehr stark sind, dauert es häufig lange, bis Betroffene sich an eine Fachperson wenden. In seltenen schwerwiegenden Fällen können auch Ruheschmerzen und sogar eine lokale Schwellung vorhanden sein.
Ursachen
Die Ursache für eine Tendinopathie der Achillessehne ist eine akute oder chronische Überbelastung der Sehne, wobei die mechanische Belastung deutlich grösser war als die aktuelle Kapazität oder Belastbarkeit der Sehne.
Das kann bedeuten, dass der Trainingsumfang, die Intensität oder die Häufigkeit mehr gesteigert wurden als die Sehne sich anpassen kann. Auch ein ungewohnter Laufschuh, ungewohnte Untergründe oder eine anderes Streckenprofil können zu einer erhöhten oder ungewohnten Belastung beitragen. Andererseits kann auch eine verminderte Belastbarkeit der Sehne zu Problemen führen, z.B. durch Schlafmangel, Rauchen, Mangelernährung, fehlende Regeneration, Stress, Medikamente oder sonstige Erkrankungen.
Durch wiederholte Überbelastungen oder fehlende Erholung der Sehne, kann es zu degenerativen Veränderungen in den Sehnenstrukturen kommen. Dabei können die Eiweissfäden, aus denen eine Sehne grösstenteils besteht, das Kollagen, desorientiert eingelagert werden oder es kommt zu einem Verlust von Kollagenstrukturen. Es werden auch vermehrt Gewebebestandteile in die Sehne eingelagert, welche dort keine natürliche Funktion haben, wodurch die Sehne sich verdicken kann und an Steifheit verliert. Wieso genau es dann zu Schmerzen kommt, ist noch nicht abschliessend geklärt, man vermutet aber, dass dies durch die Neubildung von Blutgefässen und Nerven in das verletzte Gebiet, die sogenannte Neovaskularisation, geschieht. Wenn diese Gefässe und Nerven dann nämlich auf Zug belastet werden, können dadurch Schmerzen ausgelöst werden. Durch die Reduktion der Sehnensteifheit kann es unter Belastung auch zu einer vermehrten Verlängerung der Sehne kommen, wodurch die Gefässe und Nerven noch mehr gedehnt werden.

Natürlicher Verlauf
Wenn die Belastung instinktiv gut angepasst wird, dann können die Symptome einer Tendinopathie auch von allein wieder zurückgehen. Werden dann die Belastungen sehr gut dosiert wieder aufgebaut kann sich das Problem auch über längere Zeit stabilisieren. Leider erleben Betroffene aber über mehrere Monate oder Jahre immer wiederkehrende Probleme. Erfolgt dabei eine längere oder sehr radikale Schonung, kann die Belastbarkeit der Sehne weiter abnehmen, wodurch dann beim Belasten noch früher die Kapazitätsgrenze erreicht wird und man sich schlussendlich in einer Abwärtsspirale befindet.
Physiotherapeutischer Befund
Während der Befundaufnahme erfragen wir den Verlauf und das Ausmass der Beschwerden, sowie die Einschränkungen im Alltag und beim Sport. Dann erfolgt die Untersuchung, in welcher wir die Diagnose bestätigen und allfällige Risikofaktoren oder Defizite erfassen, welche zur Entstehung des Problems beigetragen haben könnten.
Braucht es ein Röntgen oder MRI?
Die Achillessehnen-Tendinopathie ist eine klinische Diagnose. Das heisst, es benötigt normalerweise keine Bildgebung, die Diagnose wird anhand der Befragung und Untersuchung gemacht. Der Arzt oder die Ärztin und die/der Physiotherapeut*in können mit den richtigen Fragen entscheiden, ob es zum Ausschluss gewisser Pathologien trotzdem eine Bildgebung benötigt. Eine Bestätigung der Diagnose kann kostengünstig mittels Ultraschalluntersuchung stattfinden. Dies ist in den meisten Fällen aber auch nicht notwendig.
Evidenzbasierte Therapie
Progressive aktive Reha:
Als aktuell wirksamste Therapie für eine Achillessehnen-Tendinopathie hat sich die aktive Rehabilitation mit angepasstem, progressivem Krafttraining erwiesen. Dabei werden die Zellen in der Sehne, die Fibroblasten, unter mechanischer Spannung zur vermehrten Produktion von Kollagen angeregt und damit positive Umbauprozesse im Sehnengewebe gefördert. Stark degenerierte Anteile einer Sehne können nicht mehr umgebaut werden, diese bleiben verloren und können auch mit keiner verfügbaren Massnahme beeinflusst werden. Da jedoch meist noch mehr als genug gesundes Sehnengewebe vorhanden ist, ist ein weiteres Ziel der Behandlung, diese Anteile zu stärken und belastbarer zu machen. Im englischsprachigen Raum spricht man desshalb von «Treat the donut, not the hole», also übersetzt: «Behandle den Donut und nicht das Loch darin.»
Beim Einstieg in den Belastungsaufbau und der Übungsauswahl kann die Physiotherapie optimal Unterstützung bieten.
Belastungsmanagement:
Sowohl zur Prävention wie auch als Therapieform ist ein wichtiger Eckpfeiler das richtige Belastungsmanagement. Das heisst dass Belastung und Belastbarkeit in allen Trainings- und Belastungsformen in einem guten Verhältnis zueinander bleiben. Bei der Behandlung einer Tendinopathie ist ein gewisser Schmerzlevel erlaubt, da es sich um keine akute Verletzung handelt. Es hat sich etabliert, dass auf einer Schmerzskala von 0 (keine Schmerzen) bis 10 (schlimmste vorstellbare Schmerzen), 0-2/10 als unproblematisch gelten und 3-5/10 während und bis 24h nach einer Belastung akzeptabel sind, solange die Schmerzen nicht von Woche zu Woche zunehmen. Schmerzen welche als 6/10 oder höher eingestuft werden, sollten generell vermieden werden.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten mit mittlerem Evidenzlevel:
Wenn gewünscht, können zur Unterstützung des Rehaprozesses weitere physiotherapeutische Massnahmen angewendet werden. Die wissenschaftliche Datenlage unterstützt diese Massnahmen jedoch nur in Kombination mit progressiven Kräftigungsübungen. Dazu gehören:
Stosswellentherapie zur Schmerzreduktion und Anregung des Sehnenumbaus. Dies wird bei uns in der Physio8a regelmässig eingesetzt.
Elektrotherapie zur Schmerzreduktion
Schuheinlagen können die Belastung auf die Achillessehne reduzieren, dabei besteht jedoch kein Unterschied zwischen individuell angepassten Einlagen und handelsüblichen Standardeinlagen.
Behandlungsoptionen ohne klare Evidenz:
Lasertherapie
Taping
Weichteilbehandlungen bei eingeschränktem Bewegungsausmass
Injektionstherapie: Es besteht ein starkes Evidenzlevel, dass die Anwendung von Injektionstherapien bei Achillessehnen-Tendinopathie nicht empfohlen wird.
Auswirkung aufs (Lauf)training
Das Lauftraining muss unbedingt so angepasst werden, dass die Symptome in den Griff bekommen werden. Das kann bedeuten, dass der Laufumfang, die Intensität, die Häufigkeit, das Schuhwerk, der Laufstil, das Streckenprofil oder der Laufuntergrund angepasst werden. Das kann auch bedeuten, dass Laufeinheiten teilweise mit alternativem Ausdauertraining wie Fahrradfahren, Crosstrainer, Rudern oder Schwimmen ersetzt werden sollten. Wie die Trainingsbelastung am besten angepasst wird, dazu beraten wir euch sehr gerne bei uns in der Physio.
Quelle: Silbernagel et al. 2020 «Current Clinical Concepts: Conservative Management of Achilles Tendinopathy»
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